24.10.2024

Der Einbau von Bodenmaterial der Klasse 0 (BM-0) im Grundwasser­ (schwankungs)bereich nach der Mantelverordnung

Wer anderen eine Grube gräbt… - ganz genau: der muss sie auch wieder verfüllen. Baugruben, die im Rahmen von Abbruch- oder Bauvorhaben entstehen, können Gründungen von Gebäuden aufnehmen oder zu künstlichen Gewässern werden – oder sie müssen zeitnah mit geeignetem Material verfüllt werden. Ob ein Material geeignet ist, hängt von seinen bau- und umwelttechnischen Eigenschaften ab. Bei den umwelttechnischen Eigenschaften soll die Mantelverordnung Klarheit schaffen, durch die u.a. die Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) aktualisiert und auf die neu geschaffene Ersatzbaustoffverordnung (ErsatzbaustoffV) abgestimmt wurde. Seit dem 01.08.2023 kommt es darauf an, zu welchem Zweck Material in eine Baugrube eingebracht wird. Soll dort „nur“ ein Boden entstehen, geht es also um die Bodenfunktion wie beispielsweise bei einer Grünfläche, dann ist die BBodSchV relevant. Handelt es sich um die Herstellung eines technischen Bauwerks, dann greifen die Regelungen der ErsatzbaustoffV.

Seit Inkrafttreten der Mantelverordnung bemüht sich die Baubranche redlich um Einhaltung der neuen Vorgaben. Trotz (oder wegen?) des umfangreichen Werks bestehen in der Praxis aber noch einige Unklarheiten.Dies gilt nicht nur für Randfragen, sondern auch bei einem Kernanliegen der Mantelverordnung, das den bürokratischen Aufwand beim Baustoffrecycling verringern sollte. Es geht um den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in den Grundwasserschwankungsbereich bzw. in das Grundwasser.

Wasserrecht
Wasserrechtlich ist das Einbringen von Stoffen in Gewässer – dazu gehört auch das Grundwasser (§ 2 Abs. 1­ Satz 1 Nr. 3 WHG) – grundsätzlich eine erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG). Bei Erdaufschlüssen gilt allerdings einschränkend, dass die Erlaubnis zum Einbringen von Stoffen nur erforderlich ist, „wenn sich das Einbringen nachteilig auf die Grund-wasserbeschaffenheit auswirken kann“ (§ 49 Abs. 1 Satz 2 WHG). Ist dies nicht der Fall, dann genügt eine Anzeige einen Monat vor Beginn der Arbeiten (§ 49 Abs. 1 Satz 1 WHG).

Was genau „Einbringen von Stoffen“ ist, beschäftigt Rechtsprechung und rechtswissenschaftliche Literatur seit geraumer Zeit (bis hin zu der Frage, ob das Zuwasserlassen eines Modellbootes einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfe). Das klingt juristisch-nerdig, spielt aber für ortsfeste Anlagen wie Brückenpfeiler oder Düker eine Rolle. Die Mehrheit der juristischen Stimmen meint: Einbringen betrifft Sachverhalte, in denen sich der Stoff auf die Gewässerbeschaffenheit auswirken kann, umgangssprachlich: sich auflöst. Das schafft in vielen Fällen Klarheit, beim Einbau von Bodenmaterial aber nicht. Denn auch wenn dieses Material verdichtet wird, ist es chemisch und physikalisch nicht so stabil wie Beton oder Eisen.

Es ist juristisch also denkbar, beim Einbauen von Bodenmaterial ein „Einbringen von Stoffen“ und damit eine erlaubnisbedürftige Gewässerbenutzung anzunehmen. Verneint man dies, gibt es kein wasserrechtliches Thema, aber bejaht man die Frage, dann war bis zum Inkrafttreten der Mantel-verordnung unklar, wann die Grundwasserbeschaffenheit nachteilig betroffen sein kann. Die Mantel-verordnung möchte klare Maßstäbe schaffen, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Deshalb regelt § 19 Abs. 2 in Verbindung mit den Anlagen 2 und 3 ErsatzbaustoffV, wann keine nachteiligen Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit zu besorgen sind: nämlich dann, wenn zum einen die Anforderungen an die Güteüberwachung bzw. die Untersuchung von nicht aufbereitetem Material eingehalten sind und zum anderen der Einbau der mineralischen Ersatzbaustoffe nur in den für sie jeweils zulässigen Einbauweisen nach Anlage 2 oder 3 erfolgt (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 Ersatzbau-stoffV). Dann liegen – nach nun geltendem Recht – bindend die Voraussetzungen vor, unter denen gemäß § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG die Anzeige ausreicht.

Unklarheiten bezüglich BM-0
Unsicherheiten sind in der Praxis ausgerechnet bezüglich Bodenmaterial der Klasse 0 (BM-0), der Qualität mit den strengsten umwelttechnischen Anforderungen, also den geringsten Schadstoff-gehalten, aufgetreten. Dieses Material hält ebenfalls die Vorsorgewerte der BBodSchV ein. Es taucht aber nicht in Anlage 2 der ErsatzbaustoffV auf (geregelt ist dort lediglich Material der Klasse BM-0*), so dass es keine zulässige Einbauweise zu geben scheint, die standardmäßig zum Wegfall der wasserrechtlichen Erlaubnispflicht führt. Ebenfalls nicht genannt ist BM-0 in den Erläuterungen zu Beginn der Anlage 2 der ErsatzbaustoffV, wo geregelt ist, wann von einer ungünstigen bzw. günstigen Konfiguration der Grundwasserdeckschicht auszugehen ist. Günstig ist die Konfiguration nach der (nicht ganz leicht verständlichen) Tabelle, wenn zwischen mineralischem Ersatzbaustoff und Grundwasser eine grundwasserfreie Sickerstrecke > 1 m plus 0,5 m Sicherheitsabstand besteht.

Praktisch relevanter ist, wann von einer ungünstigen Grundwasserdeckschicht ausgegangen werden muss. Diesbezüglich privilegiert die ErsatzbaustoffV verschiedene umwelttechnisch günstige Arten von mineralischen Ersatzbaustoffen (RC-1, BM-0, BM-F0 u.a.), indem sie den „ungünstigen“ Bereich bereits bei 0,1 m Grundwasserdeckschicht beginnen lässt – das ist ein Vorteil, weil dadurch der Einbau der genannten Materialien möglich wird, wenn die weiteren Anforderungen der Ersatz-baustoffV eingehalten sind (siehe § 19 Abs. 8 Satz 1 ErsatzbaustoffV: Der Einbau hat oberhalb der in Anlage 2 oder 3 vorgesehenen Grundwasserdeckschicht zu erfolgen). Soll dieser Vorteil aus-gerechnet für das umwelttechnisch günstigste BM-0-Material nicht gelten, weil es bei den privilegierten Materialien nicht genannt ist?

Regelung für BM-0
Diese beiden Fragen tauchen vermutlich wegen der komplizierten Regelungsstruktur der ErsatzbaustoffV auf, bei denen der technische Praktiker sich eher von den Tabellen in den Anhängen als vom sprachlich verschachtelten Fließtext anziehen lässt. Aus juristischer Sicht gilt der Leitsatz „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“, denn die Verwirrung beruht darauf, dass § 19 Abs. 2 ErsatzbaustoffV nicht bis zum Ende gelesen wird. Wo es eine Nr. 1 gibt, folgt mindestens eine Nr. 2, und diese regelt im vorliegenden Fall nichts anderes als das BM-0-Material. Vollständig lautet § 19 Abs. 2 ErsatzbaustoffV:

Bei mineralischen Ersatzbaustoffen sind nachteilige Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit und schädliche Bodenveränderungen nicht zu besorgen, wenn die einzubauenden mineralischen Ersatzbaustoffe die Anforderungen nach Abschnitt 3 Unterabschnitt 1 oder 3 einhalten und

  1. der Einbau der mineralischen Ersatzbaustoffe nur in den für sie jeweils zulässigen Einbau­weisen
    nach Anlage 2 oder 3 erfolgt oder
  2. Bodenmaterial der Klasse 0 – BM-0 – oder Baggergut der Klasse 0 – BG-0 – eingebaut wird.

Es gilt also eine Kombination aus kumulativen („und“) Anforderungen mit alternativen („oder“) Anforderungen. Immer einzuhalten sind die Vorschriften zur Güteüberwachung bzw. zur Untersuchung. Hinzu kommenentweder die Einbauweisen nach Anlage 2/3 oder die Eigenschaft BM-0.Deshalb schadet auch nicht, dass in der einführenden Tabelle zu Anlage 2 der ErsatzbaustoffV für alle nicht gesondert genannten mineralischen Ersatzbaustoffe einheitlich (strengere) Regelungen formuliert werden („für alle anderen MEB“). Denn Material der Klasse BM-0 kann unabhängig von der Anlage 2 bzw. 3 verwendet werden. Das hat der Verordnungsgeber anlässlich der ersten Anpassungen der ErsatzbaustoffV ausdrücklich klargestellt: „Gemäß § 19 Absatz 2 dürfen BM-0 und BG-0 frei verwendet werden und unterliegen keinerlei Einschränkungen. Aus diesem Grund sind in Anlage 2 für BM-0 und BG-0 keine Einbautabellen vorhanden“(Bundestags-Drucksache 20/6310, S. 33). So war es im Übrigen von Anfang an gemeint, wie aus der ursprünglichen Verordnungsbegründung hervorgeht, welche BM-0 und BG-0 qualitativ den Primärrohstoffen gleichstellt (Bundestags-Drucksache 19/29636, S. 242).

Spricht § 1 Abs. 2 Nr. 2 g) ErsatzbaustoffV gegen diese Überlegung? Dort heißt es, dass die Vorschriften der Verordnung nicht für die Verwendung mineralischer Ersatzbaustoffe in Gewässern gilt. Da das Grundwasser zu den Gewässern im Sinne des WHG gehört (s.o.), scheint die Begünstigung von BM-0 doch nicht einzugreifen. Wenn man diesen Anwendungs-ausschluss so liest, wird allerdings § 19 Abs. 2 ErsatzbaustoffV sinnlos, der ausdrücklich eine Regelung in Bezug auf die Grundwasserbeschaffenheit trifft. Richtigerweise ist der Anwendungsausschluss daher als Klarstellung zu verstehen, dass die wasserrechtlichen Bestimmungen der ErsatzbaustoffV vorgehen (in diesem Sinne die Begründung der Verordnung, Bundestags-Drucksache 19/29636, S. 225). Dies führt genau zu der oben dargestellten Ableitungskette.

Bodenschutzrecht
Geht es nicht um technische Bauwerke, sondern um Bodenfunktionen, dann gilt im Ergebnis nichts anderes. Hierzu finden sich Regelungen in § 8 Abs. 2 und 3 BBodSchV, die der Sache nach hinsichtlich BM-0 und BG-0 auf das Gleiche hinauslaufen, nämlich die Verwendbarkeit des Materials ohne materialbezogene Einschränkungen. Natürlich müssen die allgemeinen Anforderungen eingehalten werden, die für das Auf- oder Einbringen von Material in durchwurzelbare Bodenschichten gelten (§§ 6, 7 BBodSchV). Abgesehen davon hält § 8 Abs. 4 BBodSchV fest, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen keine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich ist.

Zusammenfassung
Es ist nicht ungewöhnlich, dass neue Gesetzeswerke in der Praxis einen etwas holprigen Start erleben. Dass Material der Klasse BM-0 strengeren Anforderungen ausgesetzt sei als weniger günstige Recyclingbaustoffe, ist allerdings eine überraschende Auffassung, die – man muss es so klar sagen – der ErsatzbaustoffV widerspricht.

Dieser Beitrag entstand durch die Zusammenarbeit durch Frau Nora Wild (Hagedorn) & Herrn Dr. Michael Neupert (Kümmerlein Anwälte). Es handelt sich hierbei nicht um einen im Rahmen des DEBV erarbeiteten Schriftstückes. Gerne erklärt sich der DEBV aber bereit dieses zu veröffentlichen und auf den Umstand hinzuweisen.